Ludwig van Beethoven, "Mignon", Gesang für Singstimme und Klavier op. 75, Nr. 1, Überprüfte Abschrift
Beethoven-Haus Bonn, NE 158
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Wissenswert
Zweifelhaftes Zeugnis
Beethovens Vertonung von "Kennst du das Land? wo die Zitronen blühn" aus Goethes "Wilhelm Meister" erschien im Oktober 1810 als Nr. 1 von op. 75. Das Lied erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit und wurde auch in späteren Jahren immer wieder in Bearbeitungen (z.B. für Gitarre und Gesang) in Anthologien mit Liedern und Gesängen abgedruckt ("Philomele, eine Sammlung der beliebtesten Gesänge" oder "Damen-Journal für das Pianoforte"). Das Autograph zu diesem Lied ist verloren. Wichtigste handschriftliche Quelle ist die hier abgebildete Stichvorlage. Beethoven hat die Kopistenabschrift sorgfältig überprüft, für den Druck vorbereitet und freigegeben. Editionstechnisch ist die Handschrift daher gleichwertig zu einem Autograph. Dennoch hätten wir gerne gewußt, wo die Eigenschrift geblieben ist. Hat Beethoven sie Bettina Brentano verehrt, wie diese in ihrem Briefwechsel mit Goethe behauptet? Im August 1810 soll Beethoven ihr geschrieben haben: "Ich schicke hier mit eigner Hand geschrieben Kennst du das Land' als Erinnerung an die Stunden woe ich Sie kennen lernte, ich schicke auch das andere, was ich componirt habe seit ich abscheid von Dir genommen habe liebes liebstes Herz." Allerdings hatte Bettina Brentano, die 1811 Achim von Arnim heiratete, eine blühende Fantasie. Beethoven soll ihr insgesamt drei Briefe geschrieben haben, die sie selbst zitiert. Nur von einem dieser Briefe existiert alleridngs ein Autograph. Die Echtheit der andere beiden, darunter auch der von August 1810, wird stark angezweifelt. Verdächtig ist beispielsweise, daß Beethoven Bettina im August 1810 das Autograph eines Liedes geschenkt haben soll, das er bereits ein Jahr zuvor komponiert hatte. Zwar sind sich die beiden wirklich begegnet - Bettina hatte 1810 ihren Halbbruder Franz Brentano in Wien besucht, einen engen Freund Beethovens - und freundeten sich an, aber die Innigkeit, wie sie im o.g. Zitat zum Ausdruck kommt, wird wohl doch nicht zwischen ihnen bestanden haben. Letztlich ist jedoch nicht auszuschließen, daß Bettine Brentano trotz der vorgebrachten Zweifel nicht doch das Autograph zu op. 75 Nr. 1 besessen hat. (J.R.)