Ludwig van Beethoven, Brief an Adolph Martin Schlesinger in Berlin, Wien, 20. September 1820
Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Br 210
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Hörbrief
Zusammenfassung
Beethoven bestätigt Schlesinger den Erhalt des Honorars für opp. 108 und 109. Er entschuldigt seine verspätete Antwort und Lieferung der Werke mit Unpässlichkeit sowie mit Verzögerungen bei der Übertragung der englischen Texte. Die Sonaten (opp. 109, 110 und 111) verspricht er schneller zu liefern. Eine sei schon so gut wie fertig, die anderen bereits fieberhaft in Arbeit. Er kündigt an, sein Honorar für die beiden letztgenannten Sonaten unmittelbar nach dem Versand abzurufen.
Ohne erläuternden Kommentar klingt dieser Brief Beethovens wie ein alltäglicher Geschäftsbrief. In gewisser Weise ist er das auch: er enthält alle von Beethoven üblicherweise verwendeten Ausflüchte, Versprechungen und Hinhaltetaktiken. Zunächst die Lieder op. 108: Sie hätten schon viel früher fertig sein sollen. Ihre verspätete Lieferung entschuldigt Beethoven mit "anhaltender Unpäßlichkeit". Dass das nur eine Ausrede ist, belegen die Konversationshefte des betreffenden Zeitraumes, in denen Oliva Beethoven zu dieser kleinen Lüge ausdrücklich rät.
Auch bezüglich der Klaviersonaten opp. 109, 110 und 111 ist Beethoven nicht ehrlich. "Die erste ist fast bis zur Correctur ganz fertig", verspricht er Schlesinger zu op. 109 - und lügt. Schon am 28.6.1820, knapp drei Monate vorher, hatte er behauptet, die Sonate liege "schon fertig" bei ihm; vollendet hat er sie jedoch tatsächlich erst ein weiteres Vierteljahr später, im Dezember. Dabei hatte ihm Schlesinger ihm im Vertrauen auf baldige Ablieferung das Honorar für die Sonate bereits überwiesen. An opp. 110 und 111 "arbeite ich jezt ohne Aufschub", beteuert der Komponist. Auch das ist nicht die ganze Wahrheit: 1820 arbeitete Beethoven hauptsächlich an der Missa solemnis. Den Skizzen nach zu urteilen beschäftigte sich Beethoven mit seinen letzten Klaviersonaten überhaupt erst im Herbst und Winter 1821/22 - und hielt seinen Verleger weiter mit Ausreden hin. (J.R.)