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Digitales Archiv

Ludwig van Beethoven, Messe für vier Solostimmen, Chor und Orchester (C-Dur) op. 86, mit deutschem Text von Benedict Scholz, Chorpartitur, Abschrift

Beethoven-Haus Bonn, BH 132

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Wissenswert

Marketing: neuer deutscher Text steigert Absatzchancen für Messe

Wir sehen hier die Abschrift der Messe in C-Dur op. 86 in einer Singstimmenpartitur mit unterlegtem Generalbaß. Ungewöhnlich für unser Empfinden ist der deutsche Text, der keine Übersetzung des lateinischen Meßordinariums, sondern eine freie Übertragung, eigentlich sogar eine Neudichtung darstellt. Textdichter war der schlesische Geiger und Musikdirektor Benedict Scholz (c. 1760-1824). Auf der Rückseite des Einbanddeckels (Bild 2) vermerkte Beethovens Sekretär Anton Schindler, der das Manuskript lange Zeit besaß, wie Beethoven angeblich auf die vorliegende Abschrift reagierte: "Es war am 20. April 1823, als der Haushofmeister der Gräfin Schafgotsch, während wir eben Mittags zu Tische waren, diese Gesangpartitur nebst einem Schreiben von H. Scholz überbrachte. Beethoven durchlief schnell den Brief, und fieng dann an in dieser Partitur zu lesen. Seine Spannung wurde bei jedem Blatte sichtbarer, die Thränen rollten über die Wangen, u als er zum Credo kam, fing er laut an zu weinen, u sagte: so habe ich gedacht u gefühlt, wie diese Worte es bezeichnen, als ich dieses Werk schrieb! Nie habe ich Beethoven so zerknirscht gesehen, als in jenem Moment, der ihn so schön karakterisierte." Selbst wenn man Schindlers Aussagen stets mit Vorsicht genießen sollte - er war mit Beethoven keineswegs so gut befreundet, wie er vorgab und erdichtete vieles, was er uns von Beethoven berichtet, zu dessen Ruhm und zur Steigerung seines eigenen Ansehens - Beethovens Anerkennung des Scholz'schen Textes wird durch Zeugnisse seiner eigenen Hand gestützt. So betitelte er in einem Brief an Schindler vom Juni 1823 den Textdichter mit "diesem würdigen Scholz" (BGA 1662. Beethoven an Anton Felix Schindler, [Hetzendorf,] 1. Juni [1823]). Auch scheint er von Scholz' Leistung so überzeugt gewesen zu sein, dass er über eine Übersetzung der Missa Solemnis nachdachte. In einem Konversationsheft aus dem Mai 1823 schreibt Beethoven: "dieß wäre ein großer Vortheil für dieses Werk [die Missa Solemnis], u vielleicht gelingt es, den H Scholz dafür zu gewinnen einen deutschen text unterzulegen, wie bei der ersten Messe." (BKh 3, S. 263; der Plan wurde wegen des Todes von Scholz nicht umgesetzt.) Zwei Jahre später, im Mai 1825, findet sich noch einmal eine Erwähnung des gelungen deutschen Textes in Beethovens Briefwechsel. Dem Verleger Schott in Mainz bietet der Komponist die Messe op. 86 mit der deutschen Textunterlegung zum Druck an: "Es hat jemand zu meiner Meße in C einen vortrefflichen deutschen Text gemacht ganz anders als den Leipziger, wollten sie wohl selbe mit dem neuen Texte neu auflegen (...)" (BGA 1966. Beethoven an B. Schott's Söhne in Mainz, Wien [7. Mai 1825]) Mit den Leipzigern meinte Beethoven den Verlag Breitkopf & Härtel, der für eine Ausgabe der Messe ebenfalls eine Übersetzung hatte anfertigen lassen. Die Qualität dieses Textes von Christian Schreiber zweifelte nicht nur Beethoven an. Die Übersetzung fiel auch in einer zeitgenössischen Rezension durch E.T.A. Hoffmann durch, der sie als "gesucht, preziöse und weitschweifig" klassifizierte. Warum aber war man überhaupt bestrebt, den lateinischen Originaltext in die Landessprache zu übertragen? Das hat mehrere Gründe. Zum einen war das beginnende 19. Jahrhundert nicht gerade kirchenfreundlich geprägt - es herrschte allgemein eine eher antikirchliche Stimmung. Eine Übertragung des Messtextes und damit die inhaltliche Überführung der Messe in eine Art Oratorium förderte die Verkaufschancen des Werkes erheblich, zumal dadurch nicht nur eine Tauglichkeit für den Konzertsaal sondern gleichermaßen für den protestantischen Gottesdienst erreicht wurde. Zum anderen verboten die Zensurbestimmungen des Kaiserreiches die Aufführung lateinischer Kirchenmusik im Konzertsaal, zumindest durfte diese nicht als solche öffentlich angeschlagen werden (meist wurde sie dann als "Hymnen" angekündigt). (J.R.)

Chorpartitur mit dem deutschen Text von Benedict Scholz, hrsg. von Wolfgang Horn, 2013

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