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Digitales Archiv

"Eine Symphonie". - Kupferstich von Julius Ernst nach dem Gemälde von Moritz von Schwind aus dem Jahr 1852

Beethoven-Haus Bonn, B 2671

Wissenswert

Die Möglichkeit, musikalische Motive in bildliche Darstellungen umzusetzen, hat Moritz von Schwind sein Leben lang beschäftigt. Das 1852 entstandene Gemälde "Eine Symphonie" war nach eigenen Äußerungen Schwinds von Beethovens Chorphantasie op. 80 inspiriert worden und sollte eine bildliche Hommage an den Komponisten darstellen. Dabei verband der Maler Anspielungen auf Beethovens Komposition mit formalen Elementen, die er aus der musikalischen Struktur einer Sinfonie abgeleitet hatte.

Die unterste der insgesamt vier szenischen Darstellungen, aus denen das Gemälde aufgebaut ist, bezieht sich unmittelbar auf Beethovens Chorphantasie. Hier zeigt der Maler ein bunt gemischtes Ensemble, das sich in einem Badeort zusammengefunden hat, um zu musizieren. Aus der Art der Besetzung ist nach Schwinds eigener Aussage deutlich zu erkennen, welches Musikstück hier zur Aufführung kommt. Der Hinweis auf Beethoven wird zugleich dadurch verstärkt, dass im Hintergrund der Szene eine bekränzte Büste des Komponisten zu sehen ist, die erhöht unter einem Baldachin steht. Die anwesenden Personen sind zum Teil als Erinnerungsportraits gestaltet: so sind am linken Rand Franz Grillparzer, Michael Vogl, Josef von Spaun und Franz Schubert zu erkennen, der Dirigent im oberen Bereich der Szene trägt die Züge Franz Lachners, und die Sängerin, die sich in der vorderen Personengruppe von ihrem Platz erhoben hat, um ein Solo zu singen, trägt die Züge Caroline Hetzeneckers. Am Klavier zeigt Schwindt Maximiliane Brentano. Schwind selbst sitzt neben der Pianistin und blättert für sie die Noten um - allerdings hat sich der Künstler nicht als jungen, sondern als Mann in den 50er Jahren dargestellt, so dass sich Gegenwart und Vergangenheit in der Szene mischen.

Während das unterste Bildfeld dazu dient, ikonographisch den Bezug zu Beethovens Chorphantasie herzustellen, soll im dekorativ gestalteten Rahmenwerk, das die Hauptszenen einfasst, die Stimmung des Musikstücks bildlich umgesetzt werden. Moritz von Schwind hat in mehreren Briefen an seine Freunde das komplizierte gedankliche Konzept, das seiner Komposition zu Grunde liegt, ausführlich erläutert und dabei immer wieder die Verbindung zum Charakter der Beethovenschen Musik betont. So interpretierte er den letzten Satz der Chorphantasie als "Lobgesang auf die Freuden des Naturgenusses". Im Einzelnen sind die folgenden Motive zu erkennen: In den Medaillons, die die zweite Szene der Bilderzählung einfassen, werden die Tageszeiten gezeigt - links der Morgen und der Abend, rechts der Mittag und die Nacht. Jeweils in der Mitte zwischen zwei Medaillons befindet sich ein querrechteckiges Bildfeld, das Nymphen bei der Erquickung Kranker zeigt und auf die erholsame Wirkung von Badekuren hinweisen soll. Eingefasst werden diese Szenen von Bäumen mit flankierenden Reitern und Grotesken, die aus der Figur der Artemis von Ephesos entwickelt wurden.

Schließlich stellte Schwind seine Komposition noch in einen größeren, mythologisch-kosmologischen Kontext, indem er eine Fülle allegorischer Darstellungen in die Bildfelder des Rahmens integriert. So erscheinen ganz unten rechts und links neben der Konzertszene in Grisaillemalerei die Figuren zweier christlicher Heiligen, von denen die Heilige Cäcilie als Schutzpatronin der Musik eindeutig zu identifizieren ist. Im Bereich zwischen der untersten und der kleineren Mittelszene sind Amor und Psyche (beide gefesselt) zu sehen. Im formalen Mittelpunkt der Gesamtkomposition - d.h. zwischen der zweiten und dritten Bildszene - ist Ganymed zu sehen, den Schwind als das "Sinnbild des erwachenden Frühlings" verstand, neben und über ihm musizierende Amoretten. Die bogenförmige obere Einfassung des Bildes schließlich dekorieren Allegorien der vier Winde - Notos, Zyphr, Euros und Boreas - und zwischen ihnen kleine szenische Darstellungen, die die Jahreszeiten andeuten.

Während Schwind sich in der Stimmung seines Gemäldes auf Beethovens Chorphantasie bezieht und diese auch als Ausgangspunkt für seine Bilderzählung benutzt, so greift er in der Größe und der inhaltlichen Gestaltung der zentralen Szenen die Struktur klassischer sinfonischer Kompositionen auf. Wie die vier Sätze einer Sinfonie, so setzt sich auch Schwinds Bildfolge aus vier Teilen zusammen. Die Einzelbilder entsprechen sowohl in ihrer Größe, als auch in ihrer Anordnung ganz dem traditionellen Aufbau einer Sinfonie. Den Ausgangspunkt bildet die bereits erwähnte Konzertszene, die die gesamte Breite und fast ein Drittel der Höhe in der inneren Bildfläche einnimmt. Dargestellt ist ein Moment bei der Aufführung der Chorphantasie, in dem eine der Sängerinnen sich für ein kleines Solo von ihrem Sitz erhoben hat und dadurch die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes aus der rechten Gruppe der Zuhörer im oberen Teil der Darstellung geweckt hat. Die zweite Szene zeigt die Wiederbegegnung des jungen Paares im Wald, ohne dass es zu einer direkten Kontaktaufnahme käme. Insgesamt ist der Charakter dieser Begegnung ruhig und lyrisch und entspricht damit ganz dem "Andante"-Satz einer Sinfonie. Im dritten friesartigen Bildteil sind tanzende Paare auf einem Maskenball zu sehen. In der Mitte zeigt Schwind in einer Art blumenbekränzter Laube die persönliche Begegnung seiner beiden Hauptpersonen und die Liebeserklärung des jungen Mannes. Auch diese Bildfolge entspricht in ihrem heiteren Charakter und in den gezeigten Tanzmotiven ganz dem dritten Satz der klassischen Sinfonie. Den krönenden Abschluss - das Finale der Sinfonie und das glückliche Ende der von Schwind gestalteten Erzählung - bildet das in seiner Größe und Gewichtung der Eingangsszene in etwa entsprechende halbrunde Bildfeld, mit dem die Komposition nach oben hin abgeschlossen wird. Hier kehrt das junge Paar von seiner Hochzeitreise zurück und erblickt in der Ferne bereits seinen in einer idyllischen und glückverheißenden Landschaft gelegenen zukünftigen Wohnsitz.

In ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität dürfte "Eine Symphonie" den Höhepunkt der bildlichen Musikinterpretation im Werk Moritz von Schwinds darstellen. Das Bild war ursprünglich als Hauptmotiv für die Wand eines Musikzimmers gedacht, die Ludwig van Beethoven gewidmet sein sollte. Als Gegenstück konzipierte der Maler ein in Format und Gliederung ähnliches Gemälde zu Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte", das jedoch nicht ausgeführt wurde und nur in verschiedenen einzelnen Studien sowie in einer größeren Aquarellskizze in der Hamburger Kunsthalle überliefert ist. (S.B.)

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