Antonio Salieri, Les Danaides, Oper in 5 Akten, Auszug, Partitur, Autograph Beethovens
Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Mh 44
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Wissenswert
Lernen von Salieri
Beethoven interessierte sich sehr für den künstlerischen Output seiner Kollegen und studierte immer wieder Partituren anderer Komponisten, um von ihnen zu lernen. Antonio Salieris "Les Danaides" war eine der großen französischen Opern der Zeit. Sie wurde 1784 in Paris uraufgeführt und war so beliebt, daß sie bereits in den ersten drei Jahren allein in Paris 32 Mal gegeben wurde. Für Salieri zählte sie zu seinen größten Erfolgen überhaupt. Auch in Deutschland wurden die Danaiden gespielt, mehrfach mit einer eigens angefertigten Übersetzung. Allerdings kann eine Inszenierung der Oper in Wien nicht nachgewiesen werden - obwohl Salieri über 50 Jahre in Wien arbeitete und dort großen Einfluß und Ansehen genoß. Wie also kam Beethoven auf die Idee, vier Nummern aus dieser Oper abzuschreiben? Und woher hatte er das Material der Vorlage?
In der Wiener Stadtbibliothek existiert ein kurzer Briefwechsel Salieris mit dem Wiener Musikalienhändler und Verleger Artaria aus dem Jahr 1785. Daraus geht hervor, dass Artaria von Salieri drei Exemplare der 1784 in Paris gestochenen Partitur der "Danaides" bezog, um sie in seinem Geschäft in Kommission zu verkaufen. Im Verzeichnis von Beethovens Nachlass befindet sich unter den gestochenen Musikalien aus seinem Besitz unter Nr. 231 eine Partitur des Werks - Beethoven hatte sie also besessen. Warum macht er dann davon noch eine Abschrift?
Beethoven nahm wahrscheinlich ab 1798 oder 1801 bis 1802 Unterricht bei Antonio Salieri, um dramatische Komposition zu studieren. Salieri hatte über 40 Opern komponiert und war ein anerkannter Spezialist des Fachs. Beethoven hoffte, von ihm Feinheiten der Wort-Ton-Beziehung und der musikalischen Deklamation zu lernen, zunächst wohl weniger in Verbindung mit einem konkreten Opernprojekt (das jedoch bald folgen sollte), als vielmehr aus allgemeinem Interesse heraus. Opernvertonung war im Wien dieser Zeit "en vogue". Die Abschrift könnte also im Zuge des Unterrichts bei Salieri entstanden sein. Theodore Albrecht diskutiert im Beethoven-Journal 22 (2007) noch die Möglichkeit, dieser Unterricht können entgegen der gängigen Meinung doch schon früher stattgefunden haben. Parallelen zwischen einer Passage im Finale des C-Dur-Klavierkonzerts op. 15 von Beethoven lassen ihn vermuten, dass Beethoven doch - wie bereits Nottebohm angenommen hatte - schon ab 1793 zu Salieri ging und bereits in dieser frühen Zeit dessen Oper "Les Danaides" kennenlernte.
Eine weitere Möglichkeit bietet sich: Beethovens Abschriften aus Opern anderer Komponisten wie z.B. Mozarts oder Cherubinis entstanden alle im Zuge seiner eigenen Opernpläne. Um sich auf seinen Fidelio vorzubereiten, kopierte Beethoven 1803/04 etliche Ausschnitte aus anderen Opern. Dabei interessierte er sich verstärkt für Ensemblesätze. Auch hier kopierte er ausschließlich Nummern mit mindestens zwei Stimmen. Sollte auch diese Opernabschrift im Zusammenhang mit Beethovens Arbeit am Fidelio entstanden sein? (J.R.)