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Digitales Archiv

Ludwig van Beethoven, "Mignon", Gesang für Singstimme und Klavier op. 75, Nr. 1, Überprüfte Abschrift

Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Mh 41

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Wissenswert

Goethe verschönert

Im wesentlichen zwei Handschriften sind in dieser kuriosen Abschrift des Liedes "Kennst du das Land" op. 75 Nr. 1 erkennbar: eine uns unbekannte und Beethovens Hand. Die fremde Hand macht einen ungelenken Eindruck, nicht so geübt im Notenschreiben wie Beethoven. Kein Berufskopist also. Beethoven selbst gibt uns einen Hinweis, wer der Schreiber des Liedes war. Unten auf der 1. Seite notierte er, versehen mit seiner Unterschrift: "Nb. Die Verschönerung der Fräulein Therese in diesem Lied hat der Autor gewag[t] an des Tages licht zu befördern".

Die Abschrift stammt demzufolge von Therese Malfatti (1792-1851). Beethoven lernte den Familienkreis der Malfattis Ende 1809, möglicherweise auch erst im Frühjahr 1810 kennen und verliebte sich recht bald in das Mädchen Therese, der er auch Klavierunterricht erteilte. Sogar Heiratspläne hegte er im Sommer 1810 ihr gegenüber. In einem Brief, den er Therese im Mai 1810 in die Sommerfrische schrieb, ermunterte er sie zum Klavierüben ("Vergeßen sie doch ja nicht in Ansehung ihrer Beschäftigungen das Klawier oder überhaupt die Musik im ganzen genommen, sie haben so schönes Talent dazu") und empfiehlt ihr Goethe: "Bald erhalten sie einige andere Kompositionen von mir, wobey sie nicht zu sehr über schwierigkeiten klagen sollen - haben sie Göthes Wilhelm Meister gelesen, den von schlegel übersezten schakespear? auf dem Lande hat man so viele Muße, es wird ihnen vieleicht angenehm seyn, wenn ich ihnen diese Werke schicke" (BGA 442. Beethoven an Therese Malfatti in Walkersdorf, Wien, gegen Ende Mai 1810).

Vielleicht um Therese gleichzeitig zum Klavierüben zu ermuntern und sie mit Goethes "Wilhelm Meister" vertraut zu machen, hatte Beethoven ihr seine "Mignon"-Vertonung geschickt und sie ermutigt, die vorliegende Abschrift anzufertigen. Mit dieser Aufgabe war Therese ganz offensichtlich überfordert: schon auf der ersten Seite irrt sie sich einige Male in der Klavierbegleitung - kleinere Fehler, die Beethoven ob der Vielzahl der Irrtümer gar nicht bemerkte und deswegen auch nicht korrigiert hat. Auf Bl. 2r (Bild 3) täuscht sie sich in der Textunterlegung und zwar so gründlich, daß sich der fehlerhafte Text bis auf die nächste Seite weiterzieht. Auch weiterhin finden sich im Notentext kleinere Abschreib-Irrtümer, die Beethoven korrigiert. Auf Bl. 3r (Bild 5) ist Thereses Interesse an der Abschrift bereits so stark gesunken, daß sie Beethoven die linke Hand des Klavierparts überläßt, der ab hier vom Komponisten geschrieben wurde. Ab Bl. 3v (Bild 6) notiert Beethoven den kompletten Notentext, von der Hand Thereses sind auf den letzten beiden Seiten nur noch die Textworte. Sollte mit der "Die Verschönerung der Fräulein Therese in diesem Lied", die der Autor gewagt hatte "an des Tages licht zu befördern", wie Beethoven ironisch (?) auf der ersten Seite formulierte, die Qualität der Abschrift gemeint sein? Zur Ehrenrettung Therese Malfattis sei angemerkt, daß Beethoven ihr sicherlich eines seiner bekannt unleserlichen und möglicherweise bis zur Unkenntlichkeit mit Korrekturen versehenen Autographen geschickt hatte - keine leichte Kopieraufgabe für eine unerfahrenen Schreiberin! (J.R.)

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