Ludwig van Beethoven, Skizzenblatt zur Klaviersonate op. 106, 2. Satz und zu einer Chorsinfonie (op. 125 oder Unv 3), Autograph
Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB BSk 8/56
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Wissenswert
Vielleicht auf diese Weise die ganze Sinfonie charakterisiert?
Auf diesem Skizzenblatt - es stammt wohl aus einem Heft, denn man kann noch Spuren der ehemaligen Heftung erkennen - finden sich auf der Rückseite Entwürfe zum 2. Satz der Hammerklaviersonate. Spannender ist jedoch der Text auf der Vorderseite: "[dreispaltig; links:] Adagio Cantique / From[m]er Gesang / in einer Sinfonie / in den alten Tonarten. [Mitte:] entweder / für sich allein / oder als Einleitung / in eine Fuge / (...) / [rechts:] vieleicht auf diese weise die / ganze 2te Sinfonie charakteri= /sirt wo alsdenn im lezten / [über die ganze Zeile:] Stück oder schon im adagio / die Singstimmen eintreten / die orchester Violinen etc werden beym lezten Stück verzehnfacht. / Oder das adagio wird auf gewiße weise im lezten / Stücke widerholt wobey alsdann erst die Singstim[m]en / nach u nach eintreten - im adagio text / griechischer Mithos Cantique Eclesiastique / im Allegro Feyer des Bachus."
Das Blatt stammt von 1817/18. Beethoven hatte zu dieser Zeit schon erste Ideen zur späteren Neunten Sinfonie notiert. Allerdings plante er parallel noch eine weitere, eine Zehnte Sinfonie. In den hier geäußerten Überlegungen zur "2ten Sinfonie" ist sich Beethoven noch nicht darüber im Klaren, welche Tonart sie haben soll - außer, daß es möglicherweise eine alte Tonart (Kirchenton) sein soll. Für die Neunte hat er sich schon auf die Tonart d-Moll festgelegt, die (zu diesem Zeitpunkt bereits notierten) ersten Skizzen sind bereits in dieser Tonart gehalten. Es ist also eindeutig, daß die "2te" nur die nicht mehr fertig ausgeführte Zehnte Sinfonie sein kann. Die hier umrissene Idee, etwas mit Gesang und Solostimmen zu machen, hat Beethoven dann allerdings auf die Neunte Sinfonie "herübergezogen", wenn auch letztlich nicht mit einem griechischen Mythos als Text. (J.R.)