Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello (F-Dur) op. 135
Hörproben
Widmung
Entstehung
Es ist nicht verwunderlich, dass Beethoven das Quartett op. 135 auf dem Land vollendete. Außerhalb der Stadt fühlte er sich wohl und bezog Kraft und Inspiration aus der ihn umgebenden Natur. An Schlesinger schrieb er am 13. Oktober 1826: "Endlich kam ich dazu, mich hieher aufs Land zu begeben; eine wahrhafte Erhohlung für mich, da ich diesen Sommer in der Stadt zubringen mußte. (...) Abgestreift ist die Müdigkeit der Stadt, u. ich fühle mich wieder aufgelegter." (BGA 2222).
Beethoven war regelrecht nach Gneixendorf geflohen, nachdem er einen geradezu verheerenden Sommer hinter sich gebracht hatte. Normalerweise verließ er die Stadt bereits spätestens zum August. 1826 war dies nicht möglich: sein geliebter Neffe Karl, dessen Vormund er war, hatte am 6. August versucht sich umzubringen. Die genauen Beweggründe sind nicht bekannt, möglicherweise hatte Karl Spielschulden. Auch das angespannte Verhältnis zu seinem Onkel, der enormen Druck gegenüber seinem Neffen ausübte, mag dazu beigetragen haben. Für Beethoven war der Suizidversuch seines Neffen eine Katastrophe und der totale Bankrott einer Beziehung, in die er große Hoffnungen gesetzt hatte. Offensichtlich wollte Karl seinen Onkel im Krankenhaus zunächst auch nicht sehen, beide fanden nur mühsam wieder zueinander.
Am 25. September wurde Karl aus dem Krankenhaus entlassen. Nachdem noch einige rechtliche Probleme erledigt - Suizidversuch war eine Straftat - und Karls Zukunft geklärt werden musste (er entschied sich für eine militärische Laufbahn), beschloss Beethoven am 28. September, der Einladung seines Bruders Johann zu folgen und fuhr zusammen mit seinem Neffen nach Gneixendorf. Dort wurde er umsorgt, konnte entspannen und die Schrecken der vergangenen Wochen verarbeiten. Das Streichquartett op. 135, sein letztes großes Werk, wurde laut Aufschrift auf dem Stimmen-Autograph am 30. Oktober 1826 abgeschlossen. (J.R.)