Ca. April/Mai bis November 1806
In der Winter-Saison 1804/05 legte der Geiger Ignaz Schuppanzigh erstmals in der Musikgeschichte eine öffentliche Konzertserie mit Kammermusik auf, wahrscheinlich im Palais Lobkowitz. Auch Beethovens op. 18 wurde in diesem Zyklus dargeboten. Sicher wusste der Komponist schon frühzeitig von diesem Projekt. Im Oktober 1804 erkundigte sich Beethoven beim Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig nach Absatzmöglichkeiten für eine neue geplante Quartettserie. Tatsächlich war Beethoven zu dieser Zeit noch rundum mit der Fertigstellung und anschließenden Umarbeitung seiner Oper Leonore (Fidelio) beschäftigt. Erst im Frühjahr 1806 wandte er sich der Komposition der Streichquartette op. 59 zu. Ob der Kontakt mit Schuppanzigh und dessen Kammermusikreihe oder ein expliziter Auftrag von Andreas Kyrillowitsch Graf Rasumowsky, dem Beethoven die Quartette schließlich widmete, ausschlaggebend für die Komposition von op. 59 war oder ob Beethoven den Plan von sich aus fasste, ist heute nicht mehr nachweisbar. Schon früh scheint aber der Widmungsträger klar gewesen zu sein, denn Beethoven arbeitete in die beiden ersten Quartette gleichsam als Geste russische Melodien ein, die er der 1790 veröffentlichten "Sammlung russischer Volkslieder mit ihren Melodien" von Iwan Pratsch entnahm. Beethoven hat Pratschs Sammlung später auch als Vorlage für einige seiner Volksliedvertonungen WoO 158 verwendet.
Die erste Aufführung der Streichquartette op. 59 erfolgte wohl Ende Januar oder Anfang Februar 1807, unter ähnlichen Bedingungen wie schon bei Beethovens erster Quartettserie op. 18: Interpreten der Uraufführung waren erneut die Mitglieder des Schuppanzigh-Quartetts, die Darbietung fand im privatem Rahmen, vermutlich im Palais Lobkowitz statt (Rasumowsky hatte noch 1807 keinen eigenen Palast; mit Fertigstellung seines Wiener Palais 1808 leistete auch er sich ein eigenes Streichquartett, das Schuppanzigh-Quartett, das bis 1816 bei ihm angestellt war). Schon Anfang März berichtete die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung über "drey neue, sehr lange und schwierige Beethovensche Violinquartetten", die "die Aufmerksamkeit aller Kenner an sich" ziehen. Die Quartette müssen kurz darauf auch öffentlich aufgeführt worden sein, denn Anfang Mai folgte eine weitere kurze Mitteilung dazu: "In Wien gefallen Beethovens neueste, schwere, aber gediegene Quartetten immer mehr; die Liebhaber hoffen sie bald gestochen zu sehn". (J.R.)