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Digitales Archiv

"Ta ta ta, lieber Mälzel", vierstimmiger Kanon WoO 162


Entstehung

Wahrscheinlich eine Fälschung Anton Schindlers, die nicht vor 1843 niedergeschrieben wurde
Lange Zeit glaubte man, Beethoven habe den berühmten Mälzelkanon, in dem das Thema des 2. Satzes seiner 8. Sinfonie verarbeitet ist, 1812 für seinen Freund, den Erfinder Johann Nepomuk Mälzel geschrieben und damit dem Erfinder des Metronoms ein Denkmal gesetzt. Heute weiß man es besser: Der Kanon ist überhaupt nicht aus Beethovens Feder, WoO 162 gehört zu den vielen Erfindungen Anton Schindlers, die dieser dem Komponisten nachträglich untergeschoben hat.

Schindler war in Beethovens letzten Lebensmonaten dessen unbezahlter Sekretär und Krankenpfleger. Aus diesem Kontakt zum Komponisten leitete er nach Beethovens Tod für sich absolute Autorität in allen Fragen zur Biographie des Meisters ab. Auch bezüglich der Interpretation Beethovenscher Werke ernannte Schindler sich zum Sachwalter von Beethovens Erbe. Eines der zentralen Themen war für Schindler die Tempofrage, da seiner Meinung nach ein falsches Tempo bei der Aufführung den Originalcharakter der Komposition (oder das, was Schindler für den Originalcharakter hielt) verfälschen konnte. Verwirrung stifteten allerdings in dieser Diskussion Beethovens eigene Metronomangaben, die nicht immer realisierbar waren oder den Schindlerschen Tempowahrnehmungen zuwiderliefen. Schindler beklagte besonders die seiner Meinung nach viel zu schnellen Tempi seiner Zeitgenossen, allen voran Felix Mendelssohn. Um seine Auffassung der langsamen Tempi zu stützen, veröffentlichte Schindler im Februar 1844 in Hirschbachs "Musikalischem Repertorium" den sog. Mälzelkanon. Das Thema des Kanons stammt aus dem 2. Satz von Beethovens 8. Sinfonie, durch den Text wird der Bezug zu Mälzels Metronom klar. Authentische handschriftliche Quellen existieren zu der Komposition nicht. Schindler lieferte Entstehungsgeschichte und Anlass gleich mit (berichtete sie aber in unterschiedlichen Veröffentlichungen abweichend und mit verschiedenen Daten, was schon unter den Zeitgenossen zu Irritationen führte). Um die Authentizität des Kanons zu untermauern, fügte Schindler in Beethovens Konversationshefte gefälschte Einträge hinzu, "Belegstellen" die seine Version der Entstehungsgeschichte stützten. In der heutigen Forschung gilt der Mälzelkanon unbestritten als Erfindung Anton Schindlers und zählt nicht mehr als Werk Beethovens. (J.R.)
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