Sinfonie Nr. 3 (Es-Dur) op. 55 (Sinfonia eroica)
Hörproben
Widmung
Entstehung
Um die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte der 3. Sinfonie, besonders jedoch um ihren Beinamen "Eroica" ranken sich zahlreiche Anekdoten. Eine beruht auf Anton Schindlers Bericht, der französische General Bernadotte habe die Sinfonie angeregt und in Beethoven die Idee geweckt, "den größten Helden des Zeitalters in einem Tonwerke" zu feiern - mithin ihn veranlasst, eine Huldigungsmusik an Napoleon zu verfassen. Schindler stieß jedoch erst 1822 zu Beethovens näherem Umfeld und konnte kaum Details aus 1803 oder früher kennen. Zudem weilte Bernadotte lediglich zwei Monate im Frühjahr 1798 in Wien. Seine Rolle für Beethoven und die Entstehung der 3. Sinfonie kann daher stark bezweifelt werden.
Weitere, inhaltlich mehr oder weniger zusammenhängende Entstehungslegenden gehen mittelbar auf Beethovens Arzt Dr. Joseph Bertolini zurück, der unterschiedlichen Biographen und Musikern berichtete, Napoleons Zug nach Ägypten und das Gerücht von Nelsons Tod in der Schlacht bei Abukir bzw. der Tod des englischen Generals Abercromby hätten den Trauermarsch veranlasst. Auch Bertolini spielt jedoch im Jahr 1803 noch keine Rolle für Beethoven, er lernte ihn erst 1806 kennen. Napoleons Ägypten-Feldzug fällt in das Jahr 1798, Nelsons Kopfverletzung in der Seeschlacht bei Abukir stammt vom 1. August 1798. Dass Beethoven schon in diesem Jahr eine detaillierte Konzeption der 3. Sinfonie gehabt haben soll, mutet ausgesprochen erfindungsreich an, ebenso wie die Annahme, Sir Ralph Abercrombys Sieg über Napoleon am 21. März 1801 könne irgendeinen ursächlichen Zusammenhang mit der Eroica gehabt haben.
Die wohl hartnäckigste und bekannteste Anekdote ist mit Sicherheit jedoch die, Beethoven habe die Komposition dem französischen Konsul, Napoleon Bonaparte widmen wollen, und dies auf dem Titelblatt festgehalten. Nachdem er von der Kaiserproklamation Napoleons hörte, habe Beethoven wutentbrannt das Titelblatt zerrissen und ausgerufen "Ist der auch nichst anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize fröhnen; er wird sich nun höher, wie alle Andern stellen, ein Tyrann werden!". Dieser Bericht wird teilweise durch das Titelblatt der überprüften Abschrift der Sinfonie gestützt. Tatsächlich wurde hier so heftig herumradiert, dass ein Loch entstanden ist (keineswegs allerdings zerriss das ganze Blatt). Beethovens Einschätzung über Napoleon war durchaus ambivalent und wechselte im Laufe seiner Lebenszeit. Zunächst fasziniert und beeindruckt von den Idealen und Leistungen des Franzosen, ist die von Ries berichtete Enttäuschung über Napoleons Selbstherrlichkeit und Kaiserproklamation offensichtlich historisch. Nachprüfbar ist am Titelblatt allerdings auch ein weiteres Faktum: dem durch Rasur entstandenen Loch steht Beethovens eigenhändiger nachträglicher Bleistiftzusatz "geschrieben auf Bonaparte" gegenüber. Auch berichtet Beethoven im August 1804 an den Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig "die Simphonie ist eigentlich betitelt Ponaparte". Aus den 1820er Jahren wird Beethovens schließlich positive Beurteilung Napoleons berichtet. Beethoven dachte wohl nicht daran, die 3. Sinfonie Bonaparte zu widmen - schließlich hatte er sie bereits Fürst Lobkowitz verkauft -, sondern hielt lediglich auf dem Titel den Namen fest: "intitolata Bonaparte", was er dann aus Enttäuschung wieder tilgte (daher das Loch), später aber erneut hinzufügte: "geschrieben auf Bonaparte".
In der Überschrift der ersten Londoner Partiturausgabe 1809 wurde offiziell ein unbekannter Held ("Sinfonia Eroica composta per celebrare la morte d'un Eroe" bzw. später "per festeggiare il sovvenire di un grand'uomo") festgeschrieben. Diskutiert wird neben Napoleon auch der von den Zeitgenossen heldenhaft verehrte Prinz Louis Ferdinand von Preußen, der 1806 auf dem Schlachtfeld gegen die französischen Truppen sein Leben ließ und den Beethoven bei Lobkowitz noch kennengelernt hatte. Letztlich ist auch die Zueignung an einen imaginären Helden nicht auszuschließen. (J.R.)