"Christus am Ölberge", Oratorium für drei Solostimmen, Chor und Orchester op. 85
Hörproben
Entstehung
Das Oratorium wurde gemeinsam mit dem dritten Klavierkonzert op. 37 und der 1. und 2. Symphonie op. 21 und 36 in der Akademie vom 5.4.1803 im Theater an der Wien uraufgeführt. Der anonyme Rezensent der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" vom 25.5.1803 berichtet allerdings recht verärgert über das Werk: "Noch gab Herr Beethoven eine Kantate von seiner Komposition: Christus am Oehlberg. Niemand hat den folgenden Tag begreifen können, warum Hr. B. bey dieser Musik die ersten Plätze doppelt, die gesperrten Sitze dreyfach, und jede Loge (statt 4 Fl.) mit 12 Dukaten sich bezahlen liess. - Allein man darf hierbey nicht vergessen, dass dieses Hrn. Beethovens erster Versuch dieser Art war. Ich wünsche aufrichtig, dass er den Kassen-Gehalt bey dem zweyten Versuche eben so ergiebig; von Seiten der Komposition aber mehr Charakterisirung und einen besser überdachten Plan haben möge."
Der Mißerfolg der Komposition liegt nicht nur, aber in hohem Maße in den Schwächen ihres Librettos begründet. Der Text von Franz Xaver Huber ist ausgesprochen simpel und überschreitet an vielen Stellen die Grenze zum Lächerlichen. Auch dramaturgisch läßt die Behandlung des Stoffes viele Wünsche offen.
Für eine erneute Aufführung am 27. März 1804 arbeitete Beethoven seine Komposition so grundlegend um, dass die Fassung von 1803 heute nur schwer rekonstruierbar ist. Am Text retuschierte man sogar noch intensiver. Wahrscheinlich auf Betreiben des Verlags Breitkopf & Härtel in Leipzig, bei dem 1811 die Originalausgabe erschien, wurde das Libretto sprachlich geglättet und stilistisch mehr dem Zeitgeschmack des betrachtenden, erbaulichen angepasst. Das Werk wurde anders, auch gefälliger - gut wurde es nicht. Beethoven war sich dessen wohl bewußt und lehnte in späteren Jahren Stoffe ab, wenn er von deren Qualität - auch in textlicher Hinsicht - nicht überzeugt war. "daß ich wohl jezt ganz anders ein oratorium schreibe als damals das ist gewiß", schreibt er im August 1811 an den Verlag Breitkopf & Härtel. Umgesetzt hat er die Behauptung nicht und kein weiteres Oratorium mehr komponiert, obgleich immer wieder sowohl Anfragen als auch Pläne vorlagen. (J.R.)