"Fidelio", Oper in zwei (ursprünglich drei) Akten, einschließlich der "Leonoren"-Ouvertüren Nr. 2 und 3 op. 72
Hörproben
Textdichter
Entstehung
Nach einer langen und fruchtbaren Arbeitsphase - 1804/05 entstanden auch viele andere große Werke - vollendete Beethoven die Partitur seiner ersten Oper im Herbst 1805. Die Uraufführung war ursprünglich auf den 15. Oktober 1805 angesetzt, Ende September jedoch vom Zensor der Polizeihofstelle Wiens verboten worden. Sonnleithner gelang es schließlich, die Zensurbehörde zur Rücknahme ihrer Entscheidung zu bewegen, so dass die Oper am 20. November 1805 im Theater an der Wien uraufgeführt werden konnte.
Dem Stück war allerdings kein Erfolg beschieden, nach nur zwei Wiederholungen wurde es wieder vom Spielplan abgesetzt. Schuld am Mißerfolg war einerseits der unglückliche historische Termin: Eine Woche zuvor hatten die napoleonischen Truppen Wien besetzt, knapp zwei Wochen später fand die Schlacht bei Austerlitz statt. Ein Großteil des Publikums bestand aus französischen Soldaten und Offizieren, die kaum Verständnis für ein Stück hatten, dessen zentrale Aussage Befreiung von ungerechter Gefangenschaft war. Andererseits war das Werk weder dramaturgisch noch musikalisch ausgereift und hatte zu viele Längen und Schwächen. So urteilte der Rezensent Kotzebue in "Der Freimüthige" am 14. Januar 1806: "Eine neue Beethovensche Oper: Fidelio, oder die eheliche Liebe, gefiel nicht. Sie wurde nur einigemale aufgeführt und blieb gleich nach der ersten Vorstellung ganz leer. Die Melodien sowohl als die Characteristik vermissen, so gesucht auch manches darin ist, doch jenen glücklichen, treffenden, unwiderstehlichen Ausdruck der Leidenschaft, der uns aus Mozartschen und Cherubinischen Werken so unwiderstehlich ergreift."
Schon ab Dezember 1805 entschloss sich Beethoven zur Revision und nahm drastische Striche und Umgestaltungen vor: der dramatische Ablauf wurde gestrafft und die drei Akte der Originalfassung auf zwei zusammengezogen. Die von Joseph August Röckel ausgestreute und seitdem unermüdlich wiederholte Anekdote, die Überarbeitung sei auf Drängen von Freunden und Gönnern eigentlich gegen Beethovens Willen erfolgt, ist allerdings völlig haltlos. Beethoven war sich der Schwächen durchaus bewusst und zog seine erste Oper freiwillig zurück, um sie mit Hilfe seines Freundes Stephan von Breuning, der das Textbuch völlig umarbeitete, neu in Form zu bringen.
Die zweite Fassung des "Fidelio" kam am 29. März 1806 und 10. April 1806 ebenfalls im Theater an der Wien auf die Bühne. Zwar war die Inszenierung deutlich erfolgreicher und wurde viel freundlicher aufgenommen, dennoch aber nach der zweiten Aufführung abgesetzt. Anlass war diesmal Beethovens Zorn. Wegen eines Streits mit dem Intendanten zog der Komponist die Partitur zurück, weitere Aufführungen wurden damit unmöglich. Die Ursache für die Auseinandersetzung ist nicht bekannt, möglicherweise ging es um Tantiemen. Für die Zuspitzung des Konfliktes scheint Beethoven selbst verantwortlich zu sein.
Lange Jahre lag Beethovens einzige Oper dann auf Eis und wurde weder inszeniert noch nachgefragt.
1807 war offensichtlich eine Wiederaufführung im Prager Nationaltheater geplant, zu der Beethoven eine neue Ouvertüre - Leonore Nr. 1, op. 138 - komponierte und sich offenbar weitere Gedanken zu einer Überarbeitung gemacht hatte. Da es jedoch keinerlei Berichte über eine solche Aufführung gibt, muss wohl angenommen werden, dass diese nicht zustande gekommen ist.
1810 ließ Beethoven den Klavierauszug und die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 drucken, in der Hoffnung, der Oper dadurch zur Wiederaufführung zu verhelfen.
Erst 1814 wendete sich das Blatt: drei Inspizienten der k.k. Hofoper, Ignaz Saal, Johann Michael Vogl und Karl Friedrich Weinmüller fragten bei Beethoven an. Sie hatten die Erlaubnis erhalten, eine Opernvorstellung "ohne Kosten" zur ihren Gunsten zur veranstalten und konnten sich das Werk frei wählen: Beethovens Oper. Unter der Bedingung gründlicher Durchsicht und Überarbeitung stimmte Beethoven zu. Auch der Text sollte neu gemacht werden. Diesmal zog Beethoven einen Profi heran, den Regisseur und erfahrenen Theatermann Georg Friedrich Treitschke, der ihm das Libretto quasi neu verfasste.
Beethoven empfand die erneute Umarbeitung als mühselig. An Treitschke schrieb er Anfang März 1814: "(...) geschwinder würde ich etwas neues schreiben, als jezt das Neue zum alten (...). Die Partitur von der oper ist so schrecklich geschrieben als ich je eine gesehn habe, ich muß Note für Note durchsehn, (sie ist wahrscheinlich gestohlen) kurzum ich versichre sie lieber T., die oper erwirbt mir die Märtirerkrone" (BGA 707).
Nach erneuter Überarbeitung bzw. Neufassung konnte am 23. Mai 1814 die endgültige Version des "Fidelio" aufgeführt werden und wurde nun endlich ein großer Erfolg. Allerdings war die Oper bei der ersten Aufführung nicht ganz fertig geworden: die neue Ouvertüre wurde erst zur zweiten Aufführung am 26. Mai abgeschlossen, die Neufassung von Leonores Arie erklang sogar erst acht Wochen später, zu Beethovens Benefizvorstellung am 18. Juli. (J.R.)