Ludwig van Beethoven, Skizzenblätter zur Kantate "Europens Befreiungsstunde" Unv 17 sowie Vermerke zur Umarbeitung des "Fidelio" op. 72, 3. Fassung 1814, Autograph
Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Mh 89
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Wissenswert
Kantate mit französischen Ressentiments
"Und lang und hoch hallt es in's Himmelszelt hinauf: / Europa stehet frey mit Kaiser Franzen auf!" Mit diesem Lobpreis Kaiser Franz' von Österreich endet der Text der Kantate "Europens Befreiungsstunde" von Carl Joseph Bernard, mit dem sich Beethoven im Jahr 1814 auseinandersetzte. Über zwanzig Jahren lang hatte in Europa in der Folge der französischen Revolution und Napoleons Expansion Krieg geherrscht. Ein Zeitraum, in dem Schlachtenmusiken starke Konjunktur hatte. Mit der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 hielt nun nicht nur politisch ein neuer Geist Einzug in Europa, auch musikalisch wendete sich das Blatt. Begrüßungs-Musiken, in denen schon im Titel der "Siegreiche Einzug" oder "Glorreiche Rückkehr" des Kaisers gefeiert wurde waren ebenso gefragt wie musikalische Friedenshuldigungen und Festgesänge auf Europa, welches sich vom Joch Napoleons befreit hatte. Auch Beethoven befand sich im Sog dieses Zeitgeistes, der nicht nur seinen Überzeugungen nahe kam, sondern - das sollte nicht verschwiegen werden - auch eine recht profitable Angelegenheit war. Im Zuge des Wiener Kongresses entstanden mehrere Werke, auch die geplante Kantate "Europens Befreiungsstunde", die Beethoven auf dem vorliegenden Blatt skizzierte. Beethoven beschäftigte sich mit dem Text seines Freundes Bernard im Frühjahr 1814, in der gleichen Zeit, in der er auch die Überarbeitung seiner Oper Fidelio vornahm. Auf dem Blatt tauchen daher auch Skizzen zum Fidelio auf, eine für Beethoven nicht untypische Gegenüberstellung zweier Werke. Die Kantate wurde jedoch nicht weiter ausgeführt, die Zensur hatte sie untersagt. Österreich im Jahre 1814 war keineswegs liberal, sondern ein Polizei- und Spitzelstaat, in dem die Zensur eine wichtige Rolle spielte. Eine Begründung für das Verbot der Kantate gibt es nicht. Möglicherweise wollte man trotz aller in der Bevölkerung vorhandenen Ressentiments aus diplomatischen Gründen nicht öffentlich einen zu starken Franzosenhass demonstrieren, wie er im Kantatentext zum Ausdruck kommt. (J.R.)