"Ta ta ta, lieber Mälzel", vierstimmiger Kanon WoO 162
Entstehung
Schindler war in Beethovens letzten Lebensmonaten dessen unbezahlter Sekretär und Krankenpfleger. Aus diesem Kontakt zum Komponisten leitete er nach Beethovens Tod für sich absolute Autorität in allen Fragen zur Biographie des Meisters ab. Auch bezüglich der Interpretation Beethovenscher Werke ernannte Schindler sich zum Sachwalter von Beethovens Erbe. Eines der zentralen Themen war für Schindler die Tempofrage, da seiner Meinung nach ein falsches Tempo bei der Aufführung den Originalcharakter der Komposition (oder das, was Schindler für den Originalcharakter hielt) verfälschen konnte. Verwirrung stifteten allerdings in dieser Diskussion Beethovens eigene Metronomangaben, die nicht immer realisierbar waren oder den Schindlerschen Tempowahrnehmungen zuwiderliefen. Schindler beklagte besonders die seiner Meinung nach viel zu schnellen Tempi seiner Zeitgenossen, allen voran Felix Mendelssohn. Um seine Auffassung der langsamen Tempi zu stützen, veröffentlichte Schindler im Februar 1844 in Hirschbachs "Musikalischem Repertorium" den sog. Mälzelkanon. Das Thema des Kanons stammt aus dem 2. Satz von Beethovens 8. Sinfonie, durch den Text wird der Bezug zu Mälzels Metronom klar. Authentische handschriftliche Quellen existieren zu der Komposition nicht. Schindler lieferte Entstehungsgeschichte und Anlass gleich mit (berichtete sie aber in unterschiedlichen Veröffentlichungen abweichend und mit verschiedenen Daten, was schon unter den Zeitgenossen zu Irritationen führte). Um die Authentizität des Kanons zu untermauern, fügte Schindler in Beethovens Konversationshefte gefälschte Einträge hinzu, "Belegstellen" die seine Version der Entstehungsgeschichte stützten. In der heutigen Forschung gilt der Mälzelkanon unbestritten als Erfindung Anton Schindlers und zählt nicht mehr als Werk Beethovens. (J.R.)