Beethoven und Kant: Genies auf Augenhöhe
Sonderausstellung im Beethoven-Haus zum Kant-Jahr zeigt Gemeinsamkeiten zwischen dem bedeutenden Philosophen und dem Bonner Komponisten auf
06.09.2024SPERRFRIST – 8. SEPTEMBER 2024, 11 Uhr
Beethoven und Kant: Genies auf Augenhöhe
Sonderausstellung
Beethoven und Kant. Genie – Republik – Freiheit
8. September 2024 bis 6. Januar 2025
In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant zum 300. Mal. Sein Denken hat die Ideale geprägt, denen Demokratien folgen. So spiegeln sich seine Ausführungen über die Würde des Menschen etwa in Artikel 1 unseres Grundgesetzes wider. Zwischen dem einflussreichen Philosophen aus Königsberg und dem Bonner Künstler Beethoven gibt es zahlreiche Parallelen. So sind für beide die Themen Genie, Republik und Freiheit zentral. Das zeichnet die neue Sonderausstellung des Beethoven-Hauses, die zum Kant-Jahr vom 9. September bis zum 6. Januar 2025 zu sehen ist, anhand ausgewählter Beethoven-Exponate und Kant-Zitate nach. Sie entstand in Kooperation mit dem Institut für Philosophie der Universität Bonn, das auch den Internationalen Kant-Kongress vom 8. bis 13. September in Bonn ausrichtet. Ermöglicht wurde sie von der Gielen-Leyendecker Stiftung.
Beethovens Weltanschauung wurde in hohem Maße durch Immanuel Kant beeinflusst, obwohl er dessen maßgebliche philosophische Texte wahrscheinlich nicht im Original gelesen hat. „Vermutlich lernte er Kants Ideen bereits durch Vorlesungen an der Bonner Universität kennen. Später in Wien wird er bei öffentlichen Vorträgen und Diskussionen in adeligen Salons, in intellektuellen Zirkeln im Kaffeehaus und durch Zeitschriftenlektüre intensiver mit dem Denken des Philosophen in Berührung gekommen sein“, erläutert Julia Ronge, Kustodin des Beethoven-Hauses, die die Ausstellung gemeinsam mit Museumsleiterin Nicole Kämpken und Rainer Schäfer, Professor für Klassische deutsche Philosophie an der Uni Bonn, konzipiert hat. Beethoven notierte sich aus einem Artikel von Joseph Johann Littrow, des Direktors der Wiener Sternwarte, der in einer Wiener Zeitschrift erschienen war: „,das Moralische Gesetz in unß, u. der gestirnte Himmel über unß‘ Kant!!!“. Das Konversationsheft mit diesem vermeintlichen Kant-Zitate ist in der Ausstellung zu sehen. Es wurde mit weiteren bedeutenden Leihgaben von der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, zur Verfügung gestellt.
Beethovens Begeisterung für Kant ist gut dokumentiert. Spuren davon lassen sich an vielen Stellen im Werk, aber auch in Briefen und anderen Schriftdokumenten Beethovens mittelbar und unmittelbar aufzeigen. Einschlägige Kant-Zitate zu den genannten Themenkreisen an den Wänden des Ausstellungsraumes werden in Beziehung gesetzt zu ausgewählten Beethoven-Exponaten, um die Parallelität von Aufklärungsgedanken in Kants und Beethovens Werk aufzuzeigen.
Themenkreis „Genie“
Nach Kant ist das Kunstschöne Produkt des Genies. Das Genie kann eine ästhetische Idee erfassen und für andere sinnlich darstellen. Sein Talent zeigt sich in der schöpferischen Originalität: Es schafft also Werke, die keiner Regel folgen, sondern eine neue individuelle Regelhaftigkeit in sich tragen und so andere inspirieren. „Daher kann es nach Kant auch keine KI-Kunst geben, denn Talent und Originalität sind weder lernbar noch technisch (ganz gleich ob mechanisch oder digital) reproduzierbar“, so Rainer Schäfer.
Beethoven hob sein eigenes Talent gerne auf ein Podest und unterschlug dabei, dass er sein künstlerisches Handwerk systematisch von der Pike auf gelernt hatte. Als Künstler lehnte er es ab, sich Regeln, Konventionen oder (spiel-)technischen Grenzen zu beugen: „Freyheit, weiter gehn ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen schöpfung, zweck“, schrieb er im Juli 1819 an Erzherzog Rudolph. In der Ausstellung wird diese Haltung u.a. in einem Briefentwurf an seinen Komponisten-Kollegen Luigi Cherubini und in einem Schreiben an seinen Verlag Breitkopf & Härtel anschaulich. So heißt es etwa in dem Briefentwurf (um den 12. März 1823): „wahre Kunst bleibt unvergängl. u. der wahre Künstler hat innigs Vergnügen an wahren u. großen genie Produkten“.
Themenkreis „Republik“
Kant definiert die Republik als die dem vernünftigen Menschen angemessene Form des Politischen, da sie die Würde wahrt. Damit steht sie im Gegensatz zur Despotie, die ihre Untertanen nur als Mittel benutzt. In der Republik gelten nur solche Gesetze, denen die Bürger selbst zustimmen können bzw. würden. Die Bürger sind also einerseits frei und andererseits nur abhängig von Gesetzen, die für alle gleichermaßen gelten.
Für Beethovens ambivalente Haltung der Republik in ihrer französischen Ausprägung, aber auch Napoleon gegenüber, steht u.a. die Kantate „Europens Befreiungsstunde“, zu der Skizzen und das Libretto zu sehen sind. Der Mythos, Napoleon habe sich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet, aber auch die Leistungen und Erfolge des Feldherrn imponierten Beethoven. Andererseits lehnte er die französische Expansion unter Napoleon und den Krieg eindeutig ab. Napoleons Untergang bot ihm zudem die Möglichkeit, sich der herrschenden Schicht in Wien anzudienen. In diesem Kontext ist auch der Plan Anfang 1814 zu verstehen, eine Kantate auf den ausgesprochen franzosenfeindlichen Text seines Freundes Joseph Carl Bernard zu komponieren. Die Aufführungen wurden jedoch von der Zensurbehörde untersagt. Vermutlich war öffentlich zur Schau gestellter Franzosenhass zur Zeit des Wiener Kongresses nicht erwünscht.
Themenkreis „Freiheit“
Moralische Freiheit, also die individuelle Freiheit der einzelnen Person, besteht für Kant in der Autonomie, der Selbstgesetzgebung. „Diese ist unabhängig von jeder Form von Fremdbestimmtheit, aber nicht willkürlich, sondern eben als Gesetzgebung immer allgemeingültig“, so Rainer Schäfer. Durch den berühmten kategorischen Imperativ kann jede subjektive Handlungsvorschrift (Maxime) auf ihre moralische Qualität geprüft werden. Kann man eine Maxime verallgemeinern, ist sie moralisch gut; kann sie hingegen nicht als allgemeingültig vorgestellt werden, so ist sie nicht moralisch.
Für Beethoven war Freiheit ein hohes Gut, das er auch für sich selbst beanspruchte. Zwar war er in seiner Jugend zum Höfling erzogen worden und beherrschte die Etikette ohne Mühe, befolgte sie jedoch nur, wenn es ihm gelegen kam. Wenn man durch eigene Leistungen Selbständigkeit erlangt hatte, dann müsse das auch mit individueller Freiheit einhergehen, so Beethovens Überzeugung. Kants Aufforderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und dadurch die Unmündigkeit zu überwinden, traf sicher einen Nerv bei Beethoven. Er sah sich als selbstbestimmte, moralisch autonom handelnde Persönlichkeit.
Beethovens Vorstellung von politischer Freiheit spiegelt sich schon früh in einem Brief an seinen Freund Heinrich von Struve vom 17. September 1795. Beethoven schreibt seinem Freund aus Bonner Tagen, der als Diplomat für den Zaren arbeitet und auf Dienstreise nach St. Petersburg ist: „du bist also jezt in dem Kalten Lande [Russland], wo die Menschheit noch so sehr unter ihrer Würde behandelt wird, ich weiß gewiß, daß dir da manches begegnen wird, was wider deine Denkungs-Art, dein Herz, und überhaupt wider dein ganzes Gefühl ist. wann wird auch der Zeitpunkt kommen wo es nur Menschen geben wird, wir werden wohl diesen Glücklichen Zeitpunkt nur an einigen Orten heran nahen sehen, aber allgemein – das werden wir nicht sehen, da werden wohl noch JahrHunderte vorübergehen.“
Aber auch andere Beispiele – wie etwa die Oper „Fidelio“ oder das Trauerspiel „Egmont“ – zu denen Manuskripte gezeigt werden, belegen Beethovens Nähe zum Freiheits-Ideal der Aufklärung und zu Kants Ideen.
Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen. Es kann unter https://www.beethoven.de/de/museum#sonderausstellung heruntergeladen werden.
Pressebilder zur Sonderausstellung können unter
https://www.beethoven.de/de/press/list heruntergeladen werden.
Öffnungszeiten des Museums
Mittwoch bis Montag
10 bis 18 Uhr
Kontakt:
Ursula Timmer-Fontani
Leitung Unternehmenskommunikation
Beethoven-Haus Bonn
Tel. 0228 98175-16
timmer-fontani@beethoven.de